Kolumne: Hund, Katze, Maus!

Kolumne: Hund, Katze, Maus!

Kinder lieben Tiere, Eltern lieben Sofas ohne Hundehaare und Kinderzimmer ohne Hamstergeruch. Ein Konflikt, der seit Generationen für Gesprächsstoff am Küchentisch sorgt. Dabei sind die Argumente stets dieselben – und das was folgt meistens auch ...

Das Schöne am Leben mit Kindern ist ja, dass es so verlässlich ist. Man weiß einfach immer, was kommt. Der Hinweis „Ich muss mal“ kommt beispielsweise garantiert dann, wenn man gerade den Reißverschluss des Schneeanzuges zugezogen hat. Die Lautsprecherdurchsage „Der kleine Mats möchte bitte dringend aus dem ´Småland´ abgeholt werden“ kommt genau in dem Augenblick, in dem man endlich einen IKEA-Küchenberater ergattert hat. Und der Spruch „Ich will ein Haustier“ kommt zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, seit das Kind den Hamster des Nachbarjungen streicheln durfte.

Ich behaupte einfach mal, dass das Thema Tiere in 98 Prozent aller Familien irgendwann zur Sprache kommt. Wissenschaftlich nicht belegt, aber ebenso wahrscheinlich sind die immer gleich klingenden Debatten zwischen den einzelnen Lagern. Die Haustiergegner argumentieren mit mangelndem Platz beziehungsweise Auslauf, Papas Katzenhaarallergie, einem Betreuungs-Engpass in den Ferien sowie dem Klassiker „Am Ende bleibt ja sowieso wieder alles an mir hängen.“

Die Haustierbefürworter haben‘s deutlich schwerer. Da es bei Licht betrachtet kein einziges logisches Argument FÜR ein Tier gibt, bleibt ihnen oft nur die Wahl zwischen „betteln“ und „penetrant betteln“. Zur Bekräftigung ihrer Tierliebe lassen sie sich im Stadtpark klaglos von freilaufenden Hunden den Dinkelkeks aus der Hand schnappen, hängen sich riesige „Medi & Zini“-Pony-Poster an die Wand oder werden mit sechs Jahren Vegetarier. Eine Zermürbungstaktik mit dem Ziel, die starre Haltung ihrer Eltern zum Bröckeln zu bringen.

Häufig mit Erfolg. Erstes Anzeichen für eine hausinterne Tier-Verbots- Lockerung ist das Aufzuchtset „Urzeit-Krebse“, das irgendwann den Weg ins Kinderzimmer findet. Nicht, weil man diese plattgedrückten Silberfischchen wirklich gern in der Wohnung hätte, sondern weil die durchschnittliche Lebensdauer der Tierchen bei überschaubaren zwei Monaten liegt. Außerdem fallen langwierige Beerdigungsrituale weg, da sich die Krebse praktischerweise gleich selbst auffressen.

So kann es gar nicht erst zu der grotesken Szene kommen, die eine befreundete Mutter nach dem Tod des Familienmeerschweinchens „Rüdi“ erlebte. Ihre Kinder bestanden darauf, dem liebgewonnen Nager ein Quietscheentchen mit ins Grab zu geben, das allerdings schon bei sehr leichtem Druck Geräusche machte. Bei jeder Schaufel Erde, die danach ins Loch geschüttet wurde, drang ein deutliches Quieken ans Tageslicht, nicht unähnlich dem Ton, den „Rüdi“ noch zu Lebzeiten von sich gab. Erst nachdem ihr Mann das Meerschwein exhumiert und sich die Kinder noch einmal vom ordnungsgemäßen Ableben des Tieres überzeugt hatten, konnte die Trauerfeier im Garten des Innenhofs fortgesetzt werden. „Nie wieder Haustiere“ hört man Eltern nach solchen Erlebnissen oft sagen. Im Grunde wissen sie aber ebenso gut wie ihre Kinder, dass dieser Stoßseufzer nur eine Floskel ist. Wer einmal bereit war, seine Wohnung mit etwas zu teilen, dass deutlich mehr Haare, Schuppen, Federn oder Beine hat als man selbst, bleibt dabei. Warum auch nicht? Die Tapete hinterm Sofa ist ja sowieso schon abgeknabbert, und wer jahrelang mit der Routine eines Fließbandarbeiters Windeln gewechselt hat, dem macht ein Katzenklo auch nicht mehr viel aus.

Und irgendwie sind sie ja auch süß, die Viecher. Die meisten von ihnen sogar erstaunlich anspruchslos. Sie fordern weder Playstations noch Bey-blade-Kreisel, sie essen ohne Protest ihr Gemüse, kriegen keinen Tobsuchtsanfall bei „Niemerszein“ an der Kasse und man muss mit ihnen nicht die Siebener-Reihe des kleinen Einmaleins üben.

Probleme gibt’s nur, wenn die Spielideen von Kindern und Haustieren auseinander gehen. Wenn beispielsweise der Hund nicht wie befohlen als Baby im Puppenwagen liegen bleibt, die Mäuse sich weigern über das gespannte Hochseil zu balancieren und der Hamster keine Lust hat, im Waschbecken sein Seepferdchen zu machen. Jetzt ist wieder einmal der Moment gekommen, in dem wir die Sprüche loslassen, die wir selbst früher gehört haben. „Tiere sind kein Spielzeug“, sagen wir aus ehrlicher Überzeugung – und müssen plötzlich voll verspätetem Mitleid an „Klärchen“ denken, unsere Schildkröte aus Kindertagen, die wir immer heimlich vor die Barbie-Kutsche gespannt haben.

Irgendwie kommt früher oder später eben doch alles wieder. Und das ist ja auch das Schöne am Leben mit Kindern.

Unsere Kolumnistin: Birte Kaiser (43) ist freie Journalistin. Bis zur Geburt ihres ersten Sohnes hat sie fest für die „Für Sie“ gearbeitet. Jetzt schreibt sie regelmäßig als freie Mitarbeiterin für diverse Frauenzeitschriften und für ALSTERKIND. Sie lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen Hannes (9) und Mats (6) in Winterhude. www.birtekaiser.de

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