Flüchtlingssituation an den Schulen

Flüchtlingssituation an den Schulen

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Täglich kommen 200 bis 400 neue Flüchtlinge in Hamburg an – darunter viele Kinder. Das stellt sowohl die Schulbehörde als auch die Schulen vor große Herausforderungen.

Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, hat sich unseren Fragen dazu gestellt.

Wie viele Flüchtlingskinder werden derzeit in Hamburg unterrichtet?
Mit Stand vom 4. Dezember 2015 werden in Hamburg 321 Schülerinnen und Schüler in 33 Basisklassen, 1.949 Schüler in 156 Internationalen Vorbereitungsklassen, 146 Schüler in 11 Klassen Berufsvorbereitungsjahr für Migranten, 1.499 Schüler in 102 Klassen des Vorbereitungsjahrs für Migranten und 675 Schüler in 45 Klassen der Ausbildungsvorbereitung für Migranten beschult. Darüber hinaus werden an zwölf Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen (ZEA) 619 Schüler in 41 Lerngruppen mit dem Schwerpunkt auf den Erwerb der deutschen Sprache unterrichtet.

Nach welchen Kriterien erfolgt die Verteilung der Kinder auf die Klassen?
Grundsätzliches Ziel ist es, schulpflichtige Flüchtlinge bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft in einer Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) in kleinen Lerngruppen auf den schulischen Alltag in Deutschland vorzubereiten. Neben ersten Deutschkenntnissen wird ihnen Orientierungswissen für ein Leben in Deutschland vermittelt. Die dort tätigen Lehrkräfte schätzen den Kenntnisstand ihrer Schülerinnen und Schüler fortlaufend ein und geben beim Umzug der Familie aus der ZEA in eine Wohnunterkunft eine Empfehlung für den weiteren Schulbesuch ab. Flüchtlingskinder, die in ihrem Herkunftsland keine grundlegenden Kenntnisse im Lesen und Schreiben erworben haben oder in einem anderen Schriftsystem alphabetisiert worden sind, besuchen dann zunächst eine sogenannte Basisklasse. Hier werden die Schülerinnen und Schüler alphabetisiert und auf den Übergang in eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) bzw. in eine Regelklasse vorbereitet.

Je nach Lernfortschritt beträgt die Verweildauer in einer Basisklasse bis zu einem Jahr. Flüchtlingskinder, die in ihrem Herkunftsland in der lateinischen Schrift alphabetisiert wurden, besuchen nach einem Umzug in eine öffentliche Unterbringung eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) bzw. eine Vorbereitungsmaßnahme in einer berufsbildenden Schule. Der Übergang in eine Vorbereitungsmaßnahme kann derzeit zu jedem Zeitpunkt erfolgen und berücksichtigt das Alter und den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler.

Welche weiteren Probleme stellen sich bei der Eingliederung der Flüchtlingskinder aus den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen in die Klassen?
Voraussetzung ist, dass die Kinder, die an die Schulen kommen und die dortigen Räumlichkeiten mitnutzen, nachweisbar die obligatorische Eingangsuntersuchung durchlaufen haben, in der u.a. Impflücken aufgespürt und Infektionskrankheiten ausgeschlossen werden. Dies geschieht ausdrücklich zum Schutz aller Kinder, derjenigen, die geflüchtet sind ebenso wie der Kinder, die regulär die Schule besuchen.

Müssen wegen der Flüchtlingssituation mehr Lehrer eingestellt werden?
Bereits im November wurden 50 zusätzliche Lehrerstellen ausgeschrieben, die Auswahlverfahren laufen derzeit.

Weitere Informationen finden Sie unter
www.hamburg.de/schule-fuerfluechtlinge

Beispiel: Grundschule Turmweg. In Harvestehude in den Sophienterrassen sollen 190 Menschen, überwiegend Familien, ein sicheres Zuhause finden. Die Grundschule Turmweg in der Nachbarschaft wird viele der dort untergebrachten Kinder als Schüler aufnehmen. Wir sprachen mit der Schulleitung und der Elternvertretung.

Schulleiterin Ulrike Lammen
Wie bereitet sich die Schule auf die Aufnahme der Flüchtlingskinder vor?

Wir richten eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) 3/4 ein und bieten einen Intensiv-Deutschunterricht für Flüchtlingskinder an, die direkt in die Klassen 1-2 eingeschult werden. Zudem wird es additive Sprachförderung für Flüchtlingskinder, die in die Vorschule kommen, geben. Mit der Zuschulung von Flüchtlingskindern wird sich der Unterricht verändern. Vor allem Binnendifferenzierung wird uns in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen. Entsprechende Fortbildungen sind bereits geplant. Der Bereich Sprachförderung spielt auch im Hinblick auf viele Schüler mit einem bilingualen Hintergrund eine immer größere Rolle. Deshalb haben wir Kollegen eingestellt, die das Fach Deutsch als Zweitsprache mit einbringen kännen. Wir kooperieren mit dem Flüchtlingsverein Harvestehude, um den Kontakt zwischen Sophienterrasse und Schule zu optimieren und arbeiten an einem Unterstützungssystem in der Elternschaft in Form von Dolmetschern, Spenden und Paten. Sprachbildung im Unterricht und eine Willkommenskultur in der Klasse stehen bei uns im Vordergrund.

Viktoria Mildner - Elternratsvorsitzende am Turmweg
Nun kommen die ersten Flüchtlingskinder an die Turmwegschule. Wie sehen das die Eltern?

„Die Turmweg-Eltern stehen nach meiner Einschätzung der Einrichtung der IVK-Klasse und der Aufnahme von Flüchtlingskindern positiv gegenüber und sind sehr interessiert, die Kinder gut in die Klassen zu integrieren. Natürlich sind die Eltern auch verunsichert, wie sich der Alltag tatsächlich gestaltet. Wir vom Elternrat denken, dass eine Aufnahme der Flüchtlingskinder nur dann gut funktioniert, wenn zwar jede Klasse ein oder zwei Kinder aufnimmt, es aber nicht zu viele in einer Klasse sind. Kinder ohne Deutschkenntnisse benötigen besondere Aufmerksamkeit und Zeit durch den Lehrer. Genauso gibt es aber auch andere Kinder, die gefördert werden müssen.

Auf der anderen Seite muss natürlich auch der notwendige Stoff vermittelt werden können. Das ist aber nur zu leisten, wenn es sich nur um einige wenige Kinder pro Klasse handelt. Als KESS 6-Schule (bevorzugte soziale Lage der Schülerschaft) gibt es so gut wie keine Doppelbesetzungen in den Klassen, so dass sich die Lehrkräfte nicht speziell um die Flüchtlingskinder kümmern könnten. Es wäre schon wünschenswert, wenn die Behörde hier deutlich mehr Lehrerstunden für einen längeren Zeitraum für die einzelnen Flüchtlingskinder gewähren würde. Problematisch ist, dass es keine Höchstgrenzen der Kinderzahl in den Vorschulklassen (VSK) gibt. Erst wenn 16 Kinder zu viel angemeldet sind, wird eine neue eingerichtet. Da aber die freie Wahl der VSK besteht, müssen im Grunde alle Kinder auch aufgenommen werden. Dies kann für Kinder im Alter von 5 und 6 Jahren in so großen Gruppen dann tatsächlich schwierig werden.

Der Elternrat ist bereits jetzt intensiv mit dem Thema befasst und es werden verstärkt noch Anfragen der Eltern zum Thema kommen. Ich bin sehr froh, dass wir einen so engagierten Elternrat mit vielen tollen Eltern haben, die sich auch für dieses so wichtige Thema die Zeit nehmen.“

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