Interview mit Cornelia Funke

„Kinder brauchen Liebe, Freundschaft, Freiheit und weniger Schule...“

Interview mit Cornelia Funke

Foto: Dressler Verlag, Joerg Schwalfenberg

Sie ist der deutsche Superstar in der weltweiten Literaturszene mit über 26 Millionen verkauften Büchern und Übersetzungen in 50 Sprachen. Die Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke hat 62 ganz unterschiedliche, aber immer phantasiereiche Geschichten geschrieben, wie „Die Wilden Hühner“, die „Tintenwelt“-Trilogie und die Spiegelwelt-Reihe „Reckless“. Aktuell ist sie auf Lesereise mit der Fortsetzung von „Drachenreiter“: „Die Feder eines Greifs“. ALSTERKIND war bei der Lesung im Rahmen des Harbourfront Literatur Festivals in Hamburg dabei und sprach mit ihr über Kinder, Bücher und Kindheit.

Sie sagen, „Die Geschichte ‚Die Feder eines Greifs’ ist für die, die den Mut haben, zu beschützen statt zu herrschen.“ Was hat Sie zu Ihrer „Drachenreiter“-Fortsetzung inspiriert?
Meine Liebe zu dieser Welt und ihrer Vielfalt, meine Sorge um das, was uns alles verloren geht, aber natürlich zuallererst meine Lust, Kindern Geschichten zu erzählen, die ihnen von den Wundern erzählen, die sie umgeben.

Die Geschichte beinhaltet allerlei Fabelwesen – haben Sie eine Lieblings- figur?
Nein, ich liebe den Pegasus ebenso wie Shrii, den Greif oder die Drachen. Oder Eugene, die vieräugige Krabbe, Acht, den Kraken oder Fliegenbein.

Sie waren 28 als Sie vom Illustrieren zum Schreiben wechselten und sind nun weltweit erfolgreich. Was würden Sie Jugendlichen heute mit auf den Weg geben, die Schriftsteller werden möchten?
Dass sie das nur werden sollten, wenn sie es nicht tun, um reich und berühmt zu werden, sondern wenn nichts anderes sie so glücklich macht wie das Erzählen und sie endlose Geduld beim Spielen mit den Worten haben. Weiterhin: Nie die erste Fassung einer Geschichte auf dem Computer schreiben. Immer mit der Hand. Ein Computer macht uns allzu leicht vor, dass das, was wir schreiben, schon druckreif ist. Ein Din A4 Notizbuch für jede Geschichte, das ist das richtige Handwerkszeug. Und dann muss man das Ganze natürlich mindestens fünfmal umschreiben!

Welches Buch hat Sie als Kind fasziniert?
Michael Endes „Jim Knopf" - viel- leicht weil ich schon damals Sehnsucht nach der Ferne hatte - und Astrid Lindgrens „Brüder Löwenherz", weil ihre Stimme so furchtlos und menschlich ist.

Welches Buch liegt gerade auf Ihren Nachttisch?
„The Botany of Desire" von Michael Pollan. Ein phantastisches Buch, das die Sicht auf die Welt ändert und bereichert.

Wenn Sie an Ihre Kindheit denken, woran erinnern Sie sich besonders gern und woran nicht so gern?
Ich erinnere mich besonders gern an die Freiheit, die wir hatten, das unbeaufsichtigte Spiel in wilden Wiesen und weit entfernt von Elternaugen. Ich glaube, es ist heute schwer für Kinder, eine solche Freiheit zu erleben. Die Kehrseite ist die Unfreiheit der Kindheit, gesagt zu bekommen, wann man schlafen geht, dass man leider keinen Hund haben kann...

Was gehört für Sie zu einer richtig tollen Kindheit?
Liebe, Freundschaft, Freiheit, weniger Schule, mehr Spiel in der Natur, Zeit für Entdeckungen, fern der Erwachsenenwelt, Reisen, Begegnungen mit anderen Kulturen, und mindestens eine Sache, die man mit Leidenschaft tut, ob das Lesen oder Skaten ist.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Dass das Leben eine ernsthaf- te Sache ist. Dass wir es nicht in scheinbar unentrinnbarer Alltagsroutine ertrinken lassen. Dass wir die großen Fragen stellen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Wozu sind wir hier? Kinder sind außerdem noch so viel mehr verbunden mit dieser Welt. Sie spüren oft noch, dass alles zusammen gehört, und sie tragen selten Masken, wie es so viele angeblich Erwachsene tun.

Sie haben 2 Kinder – was ist Ihnen bei der Erziehung am wichtigsten?
Freiheit. Zuhören. Respekt voreinander. Liebe. Und nochmals Liebe. Dass man als Eltern zulässt, sich von der Andersartigkeit eines Kindes verzaubern zu lassen und nicht versucht, sie zum Klon zu machen oder durch sie ungelebte Träume wahrzumachen.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – was haben Ihre Kinder definitiv von Ihnen?
Die Lust, ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Die Wertschätzung ihrer Freunde. Den Respekt für andere. Das Hinterfragen von Regeln und Autorität. Aber vielleicht haben sie das auch alles mitgebracht. Oder von ihrem Vater.

Das Weihnachtsfest steht vor der Tür – wie und wo feiern Sie es und was steht ganz oben auf Ihrer Wunschliste?
Wir feiern in Kalifornien, vermutlich in meinem Haus in Malibu, aber sicher auch in den Wohnungen meiner Kinder. Eine Wunschliste gibt’s nicht. Das Leben hat mir schon mehr als genug erfüllt.

Sie sind von Hamburg nach Kalifornien gezogen. Wie lebt es sich dort im Vergleich zu Hamburg?
Wo ist Ihr Lieblingsplatz in Hamburg? Das Wetter ist anders. Ich lebe meist draußen, gehe jeden Morgen an den Strand, habe Berge vorm Fenster, Kolibris und manchmal einen Pelikan – und höre abends die Kojoten im Canyon unter mir heulen. Also alles etwas anders. Die Natur ist wesentlich weniger von Menschen geprägt. Und die Menschen hier lachen sehr leicht. In Hamburg ist mein Lieblingsplatz an der Elbe – die Schiffe vorbeifahren zu sehen und mich zu fragen, wo sie herkommen.

Name: Cornelia Funke
Geburtstag: 10. Dezember 1958 in Dorsten – Umzug nach dem Abitur nach Hamburg – Ausbildung zur Diplompädagogin, danach Buchillustratorin
Wohnort seit 2005: Malibu, USA
Kinder: Anna und Ben
Hobbys: Lesen, zeichnen und malen, stricken und reisen
Internat
Durchbruch: 2002 mit ‚Herr der Diebe’, monatelang auf den US-Bestsellerlisten – bisher 62 Bücher, Übersetzungen in 50 Sprachen, 8 Verfilmungen, 13 Theateradaptionen, diverse Ehrungen und Auszeichnungen

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