Interview mit Marianne Sägebrecht

„Beda, ich will mit dir leben!“

Interview mit Marianne Sägebrecht

Fotos: Goran Nitschke

Mit „Out of Rosenheim“ wurde sie berühmt, in „Rosenkrieg“ spielte sie gemeinsam mit Michael Douglas, später auch mit John Malkovich und Gérard Depardieu – doch auf die große Hollywood-Karriere verzichtete sie für ihre Familie. Heute lebt Marianne Sägebrecht am Starnberger See, wo sie die Natur gemeinsam mit ihren Tieren genießt und sich mit ihren Kräuterelixieren fit hält. Am 13. September kommt sie erneut als Petterssons und Findus Nachbarin Beda auf die Leinwand und lässt Kinderaugen strahlen. Mit uns sprach die Charakterdarstellerin, Mutter und Großmutter über ihr Leben.

Sie spielen wieder die warmherzige, lebensfrohe und hilfsbereite Beda Andersson – wie authentisch ist diese Figur?
Beda ist auf alle Fälle sehr authentisch. Für viele Kinder bin ich die Beda. Mein Herz geht auf, wenn mir die Kinder zurufen: „Beda, ich will mit dir leben!“. Beda ist respektvoll, sehr einfühlsam, sie schützt, akzeptiert und ist voller Liebe und Energie, Menschen zu helfen, sie zu unterstützen und auf einen besseren Weg zu führen. Das bin genau ich.

Auch privat helfen Sie gern...
Ja, ich bin Patin in einem Hospiz, helfe bei der Arbeit mit traumatisierten Menschen und ich gehe auch ins Jugendgefängnis. Dort haben die Jungs einmal ihre Geschichten aufgeschrieben und ich durfte sie verlesen – das war ganz toll und hat mich tief beeindruckt. Die kriminelle Energie dieser jungen, oft auch gut situierten Menschen, meist sind es Drogenfälle, auf etwas Positives zu lenken und ihnen somit bei der Resozialisierung zu helfen und ihnen mit Würde zu begegnen, hat auch mir viel gegeben.

Im Film bereitet es Pettersson große Sorge, dass Findus ausziehen möchte – wie war es für Sie als Ihre Tochter auszog?
Ich habe schon von meiner Mutter viel Freiheit bekommen und wusste daher, dass ich das auch meiner Tochter gewähren muss. Natürlich ist es nie leicht, sein Kind ziehen zu lassen. Es gibt da für mich eine ganz einfache Regel: zu früh ist schwierig, zu spät ist gefährlich. Mit Vertrauen in die Kinder und Zuspruch funktioniert diese Lebensphase aber ganz gut. Die Kinder haben Zukunftsvisionen und müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Ich habe ja eine Zeit lang mal mit meiner Schwester, meiner Mutter und meiner Tochter unter einem Dach gelebt. Dort haben wir gelernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen und offen und tolerant zu sein. Nun lebt sogar meine Enkelin schon allein. Allerdings in einem Appartement in fußläufiger Nähe. Das ist natürlich deutlich schöner, als wenn sie irgendwo im Ausland leben würde.

Findus ist so ein fröhliches, ausgelassenes Kerlchen – was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?
Die Erinnerung an meinen Großvater, bei dem ich mit meiner Mutter bis zu meinem vierten Lebensjahr lebte. Er war Gärtner und zeigte und erzählte mir alles von seinen Pflanzen, Gewürzen, Heilkräutern und Tieren, aber auch von den vielen unterschiedlichen Menschen und Kulturen. Er sah auch aus wie ein Indianer!

Sie haben jetzt schon viel für Kinder gedreht...
Kinder sind mir heilig. Für Kinder etwas zu machen, erfüllt mich mit Glück. Kinder sind so feinfühlig – schon eine Stimme kann ihnen Angst machen. Deshalb wähle ich immer sehr bedacht meine Rollen aus. Ich könnte zum Beispiel nie eine Rolle spielen, die Kinder schlägt. Ich gebe immer meine Seele, mein Herz in jede Rolle. Ich spiele auch in Hollywood nur, wenn die Rolle gut ist und zu mir passt. Und ich hatte und habe kein Problem damit, eine Rolle abzulehnen, wenn sie nicht in mein Lebenskonzept passt.

Sie haben als nicht ausgebildete Schauspielerin mit Größen wie Michael Douglas, Danny de Vito, Kathleen Turner und vielen anderen gespielt. War das schwierig?
Ich habe schon mit 12 Jahren im vollsten Vertrauen des katholischen Pfarrers sonntags die Briefe der Apostel in der vollbesetzten, sonntäglichen Kirche gelesen, ein Theaterstück über Judas mit den Mitschülern inszeniert, war jahrelang amtierendes Theater-Mitglied in der Realschule. Mit der von mir aufgestellten multikulturellen Regenbogen-Theaterrevue „Opera Curiosa“ waren wir auch in Hamburg über 7 Jahre sehr erfolgreich. Dann erst kamen die Filme von Percy Adlon. Die großen Kollegen waren immer sehr respektvoll und professionell. Ich habe mit meiner Empathie schnell im Team meine Position gefunden und pflege bis heute freundschaftliche Kontakte in Hollywood.

Mit welchen Werten wurden Sie großgezogen und welche standen bei Ihrer Erziehung ganz oben?
Ich bin eine christliche Botschafterin, eine heidnische Katholikin und finde eigentlich in allen Religionen etwas für mich. Im Buddhismus zum Beispiel finde ich viel, das meinen Überzeugungen entspricht. Ich hatte tolle Pfarrer, die mich an die Hand genommen und begleitet haben. Ich finde es toll, dass Papst Franziskus immer an Ostern, vor der anbefohlenen Füße-Waschung der Kardinäle in ein Gefängnis geht und dort, wie dieses Jahr drei Insassen, als Geste der Vergebung deren Füße wäscht. Dienen, ohne seinen Stolz zu verlieren, ist die höchste Form von Demut. Jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit von Gott bestellt und wir müssen das annehmen und damit umgehen.

Was war eine große Herausforderung in Ihrem Leben?
Ich habe schon mit 19 geheiratet und bin mit 23 Jahren Mutter einer Tochter geworden. Daniela war 7, als ich mich von ihrem Vater scheiden ließ. Das war natürlich nicht leicht. Eine Trennung bereitet den Kindern immer große Schmerzen. Ich habe daher die Freundschaft zu meinem Ex aufrechterhalten, habe seine neue Partnerin und die zwei Töchter aus dieser Ehe in mein Leben gelassen und habe Vater und Tochter zusammengeführt. Eifersucht, das Ego und die Gier, alles haben zu wollen, zerstört alles. Mama und Papa sollten dem Kind erhalten bleiben. Mein Ex-Mann Fritz wurde vom Schöpfer für die Vater-Position ausgesucht. Das ist mir heilig.

Wenn Sie an die Zukunft denken – welche Ängste oder Wünsche haben Sie?
Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich blicke auf ein erfülltes Leben zurück und sehe jeden neuen Tag als Geschenk an. Ich bin dem Himmel so nahe, dass ich mit Ruhe und Gelassenheit meine Zukunft gestalte. Ich möchte einmal mit einem Lächeln im Gesicht, absoluter Liebe, ohne Schmerzen und ohne Groll einschlafen. Doch jetzt freue ich mich erst einmal auf meine bevorstehende Reise ins südamerikanische Surinam. Seit meinem fünften Lebensjahr fühle ich mich durch die Übermittlung meines Großvaters, Gärtner und Schamane eng mit dem Regenwald und diesem für mich magischen Land verbunden. Im März nächsten Jahres werde ich die Reise in mein magisches Seelen-Land zum ersten Mal antreten.

Name: Marianne Sägebrecht Geburtstag: am 27.8.45 in Starnberg
Sternzeichen: Jungfrau
Kinder: Tochter Daniela (50 J.) und Enkeltochter Alina (25 J.)
Filme: u.a. „Zuckerbaby“ (1985), „Out of Rosenheim“ (1987), „Rosalie Goes Shopping“ (1988), „Der Rosenkrieg“ (1989), „Asterix und Oberlix gegen Caesar“ (1999), „Frau Holle“ (2008), „Pettersson & Findus“ (2014 - 2018)

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