Kolumne: Das kommt mir aber spanisch vor

Kolumne: Das kommt mir aber spanisch vor

Illustration: Sharpnose - Fotolia.com

Vorbei die Zeiten, in denen Kinder in der 5. Klasse zum ersten Mal Englisch hatten und lernten, dass Peter sich als Haustier einen budgie hält. Die Weltbürger von heute hören ihre ersten Vokabeln bereits in der Sandkiste.

Also ich beneide ja immer die Kinder, die von ihren Eltern zweisprachig erzogen werden. Was für ein Geschenk! Können kaum über die Tischkante gucken, aber schon französische Verben konjugieren. Etwas, das ich bis heute nicht ordentlich beherrsche. Außerdem profitiert der weniger polyglotte Freundeskreis von dem kostenlosen Sprachunterricht. Wenn meine, in Winterhude wohnende, aber aus Paris stammende Freundin ihren Sohn wortreich zur Schnecke macht, dann lerne ich in zehn Minuten mehr Französisch, als in fünf Jahren bei Monsieur Dupond, meinem dicklichem Gymnasiallehrer mit der feuchten Aussprache. Aus kulturellem Trotz antwortet der Junge ihr zwar konsequent auf Deutsch, was ihm aber nichts nützt. Seine Mutter weiß genau, dass er sie versteht.

Bei dem Dreijährigen, den ich neulich mit seinem Papa auf dem Spielplatz gesehen habe, bin ich mir da nicht so sicher. Der Vater kam aus Schwaben, was ihn allerdings nicht davon abhalten konnte, ausschließlich Englisch mit seinem Kind zu reden. Oder so was Ähnliches. „Look Dennis, sis isch a dog,“ erklärte er „he mäkes wau“. Wie war noch mal der Werbeslogan? „Wir können alles außer Hochdeutsch“? Aber gut, wenn unsere hanseatischen Kinder lernen, dass sie nicht „rumtüdeln“ sollen, Mama noch kurz mit der Nachbarin „schnacken“ will und sie sich bitte nach dem Schokoladeessen die „Schnut’“ abwischen sollen, dann klingt das auch nicht gerade nach dialektfreier Aussprache.

Andererseits: Wer braucht schon Hochdeutsch? Das spricht man sowieso nur in einem winzig kleinen Teil unseres Landes. Und in einem 200-Seelen-Dorf an der südafrikanischen Küste. Dorthin sind wir vor einigen Jahren mit unserem Sohn gereist. Natürlich nicht nur, damit das Kind endlich mal Englisch lernt, aber dieser Nebeneffekt war durchaus erwünscht. Der Kleine war auch ganz begeistert, als er einen Vormittag lang in den örtlichen Kindergarten gehen durfte – ein vegetationsfreies Gelände mit 50 barfüßigen, kaffeebraunen Kindern und zwei alten Autoreifen. Als wir nach ein paar Stunden wiederkamen, begrüßte uns die gutgelaunte Gruppe mit den perfekt akzentuierten deutschen Sätzen „Lass das!“ und „Gib das her!“. Unser Sohn sprach leider immer noch kein Wort Englisch.

Stattdessen verlegte er sich irgendwann aufs Hören englischer Musik. Er entdeckte in unserem Keller einen Karton mit alten CDs und trällerte kurz darauf so lautmalerische Verhörer wie „It’s so kind of magic“ durchs Wohnzimmer. Außerdem wollte er wissen, ob es tatsächlich mal einen „Reverend Bluejeans“ gegeben habe. Wir mussten ihn dann aufklären, dass Neil Diamond nicht von einem amerikanischen Geistlichen, sondern lediglich die Worte „Forever in Bluejeans“ gesungen hat, obwohl das natürlich nur halb so lustig war. Außerdem war es harmloser als die Lieder, die er sich heute auf seinen MP3-Player lädt. „I’m a 90th bitch…“ und „I can drink ’til I throw up!“ heißt es da zum Beispiel und ich bin immer ganz froh, wenn er nicht jede Textzeile übersetzt haben will. Andererseits lernen Kinder solche Ausdrücke komischerweise sowieso ganz von selbst, genau wie die absurden Namen von „Starwars“-Figuren oder von Online-Spielen und Kino-Filmen, für die sie noch viel zu jung sind.

Die effizienteste Methode, dem Kind eine Fremdsprache beizubringen, müsste also eigentlich darin bestehen, sie so reizvoll aber geheim wie möglich zu machen. So wie einige Eltern früher Worte wie E-I-S-D-I-E-L-E oder D-O-M buchstabiert haben, damit der Nachwuchs nicht mitkriegt worum es geht, sollte man spannende Dinge mit seinem Partner am besten nur noch halblaut und auf Englisch, Französisch oder Spanisch besprechen. Ich bin mir sicher, dass der Lernfortschritt beim Kind enorm sein wird.

Bleibt das Problem, dass wir Erwachsenen auch nicht unbedingt sattelfest sind, wenn es um andere Sprachen geht. Klar, es gibt die Volkshochschule. Aber während wir uns noch mühsam mit den Tücken von „go, went, gone“ abplagen, übersetzen uns unsere Kinder im Urlaub bereits die Speisekarte. Die lernen eben schneller als wir, die little lucky mushrooms.

Birte Kaiser (43) ist freie Journalistin. Bis zur Geburt ihres ersten Sohnes hat sie fest für die „Für Sie“ gearbeitet. Jetzt schreibt sie regelmäßig als freie Mitarbeiterin für diverse Frauenzeitschriften und für ALSTERKIND. Sie lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen Hannes (10) und Mats (7) in Winterhude. Birte Kaiser bietet regelmäßig Schreibkurse an.

Aktuelle Termine unter: www.birtekaiser.de

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