MARA-CASSENS-PREIS FÜR VERENA BOOS

Für ihren Debütroman »Blutorangen« gewinnt die Autorin Verena Boos den »Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman« 2015

MARA-CASSENS-PREIS FÜR VERENA BOOS

Foto: Aufbau Verlag

Für ihren ersten Roman »Blutorangen«, 2015 im Aufbau Verlag erschienen, erhält Verena Boos den mit 15.000 Euro dotierten »Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman« des Literaturhauses Hamburg. Die Auszeichnung wird seit 1970 verliehen und ist der höchstdotierte Preis für einen deutschsprachigen Debütroman. Er ist der einzige Literaturpreis, der von einer Leserjury vergeben wird. Die Intention der im August 2015 verstorbenen Stifterin Mara Cassens war es, mit dem Preis Autorinnen und Autoren zu ermöglichen, »sich für eine gewis-se Zeit ganz dem Schreiben zu widmen«. Im Gedenken an Mara Cassens und ihr Wirken für die Literatur wird die Mara und Holger Cassens Stiftung den Preis weiterhin jährlich stiften. Preisträger der letzten Jahre sind Andreas Martin Widmann (2012), Sarah Stricker (2013) und Regina Scheer (2014).

Die ehrenamtliche Jury besteht aus 15 Mitgliedern des Literaturhaus e.V., die sich als enga-gierte Literaturliebhaber in ihrer Freizeit den Romandebüts widmen. 2015 reichten 46 Verlage 68 Debütromane ein – die unermüdliche Jury las 18.103 Seiten. Viele der eingereichten Romane beurteilte die Jury als hervorragend, darunter »Die Glücklichen« von Kristine Bilkau, Karin Kalisas »Sungs Laden« sowie »Das grenzenlose Und« von Sandra Weihs.

Wegen der klugen Themenwahl und ebenso souveränen wie spannungsvollen Bändigung ihrer enormen Stofffülle entschied die Jury, »Blutorangen« von Verena Boos mit dem Mara-Cassens-Preis auszuzeichnen. Der Roman erzählt auf drei Zeitebenen – 1939, 1990 und 2004 – die Verstrickungen des spanischen Franco-Regimes mit dem deutschen Nationalsozialismus und deren Nachwirkungen. 50.000 Spanier, die sogenannte »Blaue Division«, kämpften während des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der Wehrmacht gegen die Sowjetunion. Im Mittelpunkt des Romans steht Maite, eine junge Spanierin, die 1990 aus Valencia zum Studium nach München kommt, um der Enge ihres autoritären Elternhauses zu entfliehen. Sie verliebt sich in Carlos, dessen spanischer Großvater Antonio aus einem Zug ins KZ Mauthausen fliehen konnte, von Bauern gerettet wurde und seit Jahrzehnten auf dem Münchner Großmarkt Orangen verkauft. Bei einem Familientreffen entdeckt Maite das Foto eines Wehrmachtssoldaten und erinnert sich an ein Bildnis ihres Vaters in ähnlicher Pose. Die rebellische, aber politisch recht unbedarfte Maite beginnt, Fragen zu stellen, und konfrontiert ihre beiden Familien mit der unbequemen, lange verdrängten Wahrheit. Denn es klebt Blut an den scheinbar makellosen Orangen, mit denen ihre Familie in Valencia seit Generationen handelt.

In der Jurybegründung heißt es: »Souverän komponiert, historisch detailliert und mit großem Nachhall macht sich Verena Boos an die Aufarbeitung einer kaum bekannten Episode des 20. Jahrhunderts, der Kollaboration des Franco-Regimes mit der Hitler-Diktatur. Dabei spürt man die fundierte Herangehensweise der Historikerin ebenso wie die erzählerische Kraft der Schriftstellerin. Verena Boos schafft lebendige Figuren, die verstehen wollen und wegen ihrer drängenden Suche nach Wahrheit lange im Gedächtnis bleiben. Der Roman differenziert zwischen Schuld und Schuldigkeit und öffnet damit Türen, die in Spanien über Jahrzehnte durch einen Pakt des Schweigens versiegelt waren. Dieser Roman ist große Erzählkunst und wirkt weit über das aktuelle Tagesgeschehen hinaus.«

Verena Boos wurde 1977 in Rottweil geboren und lebt in Frankfurt/Main. Sie studierte Anglistik und Soziologie in Konstanz und Glasgow und promovierte in Florenz über regionale Identitäten in Schottland und Katalonien. Sie lebte viele Jahre im Ausland, u. a. in Italien, Großbritannien und Spanien und arbeitet heute als Journalistin, Referentin und Autorin. Verena Boos nahm am Klagenfurter Literaturkurs und der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung teil. Sie wurde für die Bayerische Akademie des Schreibens ausgewählt und las beim »Open Mike«.

Die feierliche Preisverleihung findet am 7. Januar 2016 um 19.30 Uhr im Literaturhaus statt. Die Preisträgerin sowie Holger Cassens als Vertreter der Mara und Holger Cassens Stiftung sind anwesend. Die Laudatio hält der Literaturkritiker Ruthard Stäblein. Der Kulturstaatsrat Dr. Horst-Michael Pelikahn spricht ein Grußwort.

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